Das Teilhabestärkungsgesetz: Neues Recht für Arbeitgeber, Betriebsrat, SBV und Beschäftigte!

 

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Das Plenum des Deutschen Bundestages hat am 22.04.2021 den Gesetzesbeschluss in dritter Lesung gefasst.[1] Der Bundesrat hat auf seiner 1005. Sitzung am 28.05.2021 dem Gesetz zugestimmt.[2] Die Verkündung des Gesetzes ist am 09.06.2021 erfolgt.[3] In dem umfangreichen Artikelgesetz sind für die betriebliche Praxis nur wenige Vorschriften enthalten. Diese sind überwiegend bereits am Tag nach der Verkündung, das war der 10.06.2021, in Kraft getreten. Eine Übergangszeit ist nicht vorgesehen. Deshalb ist es wichtig, sich sofort zu informieren, denn das neue Recht ist mit einer Ausnahme bereits seit dem 10.06.2021 anzuwenden.

1. Neues im Betrieblichen Eingliederungsmanagement

In Art. 7 des Teilhabestärkungsgesetzes ist die Regelung des BEM in § 167 Abs. 2 SGB IX nachgebessert worden. Dem Betroffenen wird vom Gesetzgeber ausdrücklich das Recht auf Hinzuziehung einer Vertrauensperson eigener Wahl zu den Gesprächen im BEM eingeräumt. Diese Klarstellung des Gesetzgebers war erforderlich, denn die Rechtsprechung[4] war bislang ablehnend. So entschied das LAG Köln, die Hinzuziehung externer Anwälte oder Gewerkschaftsvertreter erscheine eher „kontraproduktiv“. Es gehe nämlich um eine höchst vertrauliche Suche nach Beschäftigungsmöglichkeiten, deren Erfolgsaussicht davon abhinge, dass die Beteiligten im Interesse des sie verbindenden Arbeitsverhältnisses vertrauensvoll miteinander umgehen können. Da störe die Hinzuziehung eines Externen.[5] Dem ist jetzt der Gesetzgeber mit einer Klarstellung der Rechtslage entgegengetreten. Danach können die Betroffenen auch ein Mitglied des Betriebsrats, die Vertrauensperson der schwerbehinderten Beschäftigten oder ein stellvertretendes Mitglied der SBV hinzuziehen. Der Arbeitgeber darf die Teilnahme der hinzugezogenen Person nicht verweigern.

2. Einheitliche Ansprechstellen für Arbeitgeber

Weiter hat Art. 7 des Teilhabestärkungsgesetzes den neuen § 185a in das SGB IX eingefügt. Darin werden die Integrationsämter verpflichtet, die Integrationsfachdienste oder andere geeignete Träger zu beauftragen, als „Einheitliche Ansprechstellen“ für Arbeitgeber beratend und unterstützend tätig zu werden.

Dazu wird bestimmt: Einheitliche Ansprechstellen für Arbeitgeber informieren, beraten und unterstützen Arbeitgeber bei der Ausbildung, Einstellung und Beschäftigung von schwerbehinderten Menschen. Die Einheitlichen Ansprechstellen für Arbeitgeber werden als begleitende Hilfe im Arbeitsleben aus Mitteln der Ausgleichsabgabe finanziert. Sie haben die Aufgabe,

  1. Arbeitgeber anzusprechen und diese für die Ausbildung, Einstellung und Beschäftigung von schwerbehinderten Menschen zu sensibilisieren,
     
  2. Arbeitgebern als trägerunabhängiger Lotse bei Fragen zur Ausbildung, Einstellung, Berufsbegleitung und Beschäftigungssicherung von schwerbehinderten Menschen zur Verfügung zu stehen und
     
  3. Arbeitgeber bei der Stellung von Anträgen bei den zuständigen Leistungsträgern zu unterstützen.

Die Einheitlichen Ansprechstellen für Arbeitgeber sind flächendeckend einzurichten. Sie sind trägerunabhängig. Sie sollen

  1. für Arbeitgeber schnell zu erreichen sein,
     
  2. über fachlich qualifiziertes Personal verfügen, das mit den Regelungen zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen sowie der Beratung von Arbeitgebern und ihren Bedürfnissen vertraut ist, sowie
     
  3. in der Region gut vernetzt sein.

Die Integrationsämter beauftragen die Integrationsfachdienste oder andere geeignete Träger, als Einheitliche Ansprechstellen für Arbeitgeber tätig zu werden. Die Integrationsämter wirken darauf hin, dass die Einheitlichen Ansprechstellen für Arbeitgeber flächendeckend zur Verfügung stehen und mit Dritten, die aufgrund ihres fachlichen Hintergrunds über eine besondere Betriebsnähe verfügen, zusammenarbeiten.

Da die Einrichtung der Einheitlichen Ansprechstellen eine längere Vorbereitungszeit erfordert, wird das neue Recht insoweit erst zum 01.01.2022 wirksam.

3. Wahlordnung Schwerbehindertenvertretungen (SchwbVWO)

In Art. 13 b des Teilhabestärkungsgesetzes wird das Wahlrecht erleichtert. Das erfolgt durch den neu angefügten § 28 SchwbVWO. Für die Dauer der COVID-19-Pandemie gelten Sonderregelungen. Bis zur Aufhebung der Feststellung einer epidemischen Lage kann nach § 28 Abs. 1 SchwbVWO die Wahlversammlung im vereinfachten Wahlverfahren mittels Video- und Telefonkonferenz erfolgen. Es muss sichergestellt werden, dass Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis nehmen können. Eine Aufzeichnung ist unzulässig. Die elektronische Stimmabgabe ist jedoch unzulässig. Nach § 28 Abs. 2 SchwbVWO gilt für die Stimmabgabe bei der Wahl der Vertrauensperson und der stellvertretenden Mitglieder im vereinfachten Wahlverfahren § 11 SchwbVWO entsprechend. Das bedeutet: Es findet eine generelle Briefwahl statt.

4. Unterstützung beim behinderungsgerechten Auto

In Art 13d des Teilhabestärkungsgesetzes hat der Gesetzeber die Anschaffung eines Kraftfahrzeugs erleichtert. Die in § 5 Abs. 1 der Kraftfahrzeughilfe-Verordnung geregelte Höhe des Bemessungsbetrags, der zur Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben für die Beschaffung eines Kraftfahrzeugs und dessen behinderungsbedingte Zusatzausstattung dient, ist von bislang 9.500 Euro auf künftig 22.000 Euro erhöht. Es handelt sich um eine Anpassung. Denn bei Festlegung des Bemessungsbetrags im Jahr 1987 ging der Gesetzgeber davon aus: „Eine solche Summe reicht nach den derzeitigen Autopreisen für die Anschaffung eines Wagens der unteren Mittelklasse aus, der für Fahrten von und zum Arbeitsplatz geeignet und ausreichend erscheint.“[6] Die Neuwagenpreise sind seit 1987 jedoch so erheblich gestiegen, dass diese Anpassung dringend erforderlich war.

[1] BT- Stenografischer Bericht 19. Wahlperiode 224. Sitzung S. 28449

[2] Bundesrat Kompakt vom 28.5.2021

[3] BGBl I, 1387.

[4] LAG Köln 23.1.2020 – 7 Sa 471/19, Rn. 44, LAGE § 167 SGB IX 2018 Nr 3.

[5] LAG Köln 23.1.2020 – 7 Sa 471/19, Rn. 44, LAGE § 167 SGB IX 2018 Nr 3.

[6] BR - Drucksache 266/87 S. 20

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