Eine Betriebsratswahl ohne Fehler ist nur schwer zu erreichen. Das stark reglementierte Verfahren erfordert besondere Kenntnisse und Sorgfalt in der Wahldurchführung. Doch nicht immer liegt ein Grund zur Anfechtung oder sogar zur Nichtigkeit der Betriebsratswahl vor. Damit Sie möglichst sicher durch die Wahl kommen, haben wir Ihnen in den nachfolgenden Absätzen die Grundsätze zur Anfechtung der Betriebsratswahl und die häufigsten Fehlerquellen zusammengefasst.
Grundsätzlich
Grundsätzlich kann die Betriebsratswahl nach § 19 Abs. 1 BetrVG nur angefochten werden, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen wurde und eine Berichtigung nicht erfolgt ist. Außerdem muss für eine mögliche Anfechtung hinzukommen, dass der Verstoß gegen wesentliche Vorschriften zu einem anderen Wahlergebnis geführt hat oder geführt haben konnte.
Die Anfechtung muss beim zuständigen Arbeitsgericht eingereicht werden - dies entscheidet dann über mögliche Konsequenzen aus den vorliegenden Wahlfehlern. Um die Betriebsratsbildung jedoch nicht unnötig zu erschweren, legt das Arbeitsgericht die Messlatte für Anfechtungsgründe relativ hoch: Etwaige Rechtschreibfehler im Wahlausschreiben wären für eine Anfechtung der Wahl zum Beispiel nicht ausreichend. Anders verhält es sich jedoch, wenn der Inhalt des Ausschreibens dadurch nicht mehr verständlich wäre.
Die Regelung der Wahlberechtigung (aktives Wahlrecht) stellt eine zentrale Vorgabe des Wahlrechts dar und ist in § 7 BetrVG geregelt. Hier hat es mit dem Betriebsrätemodernisierungsgesetz eine Änderung gegeben. Wahlberechtigt sind nunmehr nach Änderung der gesetzlichen Vorgaben alle Arbeitnehmer*innen des Betriebs bereits mit Vollendung des 16. Lebensjahrs. Anfechtungsgründe können sich insbesondere ergeben, wenn z. B. wahlberechtige Arbeitnehmer*innen nicht zur Wahl zugelassen werden, oder umgekehrt – an dieser Stelle sollte ausführlich geprüft werden, wer zur Wahl zugelassen ist und wer nicht. Mehr dazu erfahren Sie hier.
Genauso wie die Wahlberechtigung ist auch die Regelung zur Wählbarkeit (passives Wahlrecht) eine zentrale Vorschrift des Wahlrechts, welche in § 8 BetrVG geregelt ist. In seiner neuen Fassung sind nunmehr nur diejenigen Mitarbeiter*innen wählbar, die das 18. Lebensjahr vollendet haben. Auch hier können sich schnell Anfechtungsgründe ergeben, wenn z. B. die Dauer der Betriebszugehörigkeit nicht ausreichend geprüft wurde, und Arbeitnehmende fehlerhaft (nicht) zur Kandidatur zugelassen wurden.
Die einzuhaltenden Vorschriften zum Wahlverfahren sind in §§ 9-18a BetrVG enthalten, sowie in der Wahlordnung näher ausgeführt. Hier können sich Anfechtungsgründe ergeben, wenn z. B. das Wahlausschreiben nicht die erforderlichen Inhalte enthält oder das falsche Wahlverfahren angewandt wurde, z. B. das normale Wahlverfahren in Betrieben mit weniger als nunmehr 100 wahlberechtigten Arbeitnehmer*innen (für kleinere Betriebe gilt zwingend das vereinfachte Wahlverfahren, bei mehr als 100 bis 200 wahlberechtigten Arbeitnehmer*innen kann der Wahlvorstand es mit dem Arbeitgeber vereinbaren).
Denken Sie auch daran, dass das Wahlausschreiben ordnungsgemäß bekannt gemacht werden muss. Es muss von ALLEN wahlberechtigten Arbeitnehmer*innen zur Kenntnis genommen werden können - das gilt selbstverständlich auch, wenn sich Ihr Betrieb über mehrere Gebäude oder aber sogar über die gesamte Republik erstreckt.
Hier ist es nicht ausreichend, das Wahlausschreiben lediglich in den größten Betriebsstätten auszuhängen (BAG, Beschluss vom 05.05.2004 - 7 ABR 44/03).
Sollten Wählerlisten Fehler enthalten, die vom Wahlvorstand nicht rechtzeitig korrigiert wurden, besteht auch hier ein Anfechtungsgrund, falls dadurch das Ergebnis der Wahl beeinflusst wurde. Das Betriebsrätemodernisierungsgesetz hat hier zu einer erheblichen Veränderung geführt. Nunmehr können bei einer Anfechtung der Wahl Fehler in der Wählerliste nur noch wirksam geltend werden, wenn zuvor ordnungsgemäß Einspruch gegen die Richtigkeit der Wählerliste erhoben wurde. Die verfahrensmäßige Bedeutung ist nicht zu unterschätzen. Unterbleibt ein ordnungsgemäßer Einspruch - trotz Bedenken, dass die Wählerliste richtig ist, z. B. Arbeitnehmer*in X anstatt Arbeitnehmer*in Y steht auf der Liste - so kann die Anfechtung nicht mehr darauf gestützt werden.
Die Anfechtung durch den Arbeitgeber aus diesem Grund ist nunmehr sogar gänzlich ausgeschlossen, wenn die Unrichtigkeit der Wählerliste auf seinen Angaben beruht.
Die neue Bestimmung bringt damit durch Einschränkung des Anfechtungsrechts mehr Rechtssicherheit der Betriebswahl. Es soll möglichst schnell und umfassend geklärt werden, ob ein Betriebsrat wirksam gewählt ist.
Sollten Wahlvorschläge/Vorschlagslisten Fehler enthalten, deren Korrektur vom Wahlvorstand nicht rechtzeitig veranlasst wurden, oder wurden vorgeschriebene Fristen zur Einreichung von Wahlvorschlägen/Vorschlagslisten nicht eingehalten und der Wahlvorstand hat sie dennoch zur Wahl zugelassen, kann auch hier ein Anfechtungsgrund bestehen. Überprüfen Sie die Wahlvorschläge/Vorschlagslisten somit sorgfältig auf Inhalt und erforderliche Stützunterschriften, damit eine Anfechtung nicht möglich wird.
Alle dargestellten Verstöße berechtigen nur zur Anfechtung, wenn sich diese auf das Wahlergebnis auswirken konnten. Maßgeblich hierfür ist, ob bei hypothetischer Betrachtung der Wahl ohne den Verstoß zwingend dasselbe Wahlergebnis unter Berücksichtigung der konkreten Umstände erzielt worden wäre (BAG, Beschl. v. 12. 6. 2013 – 7 ABR 77/11). Somit muss feststehen, dass bei ordnungsgemäßer Durchführung der Wahl – also ohne den Verstoß – das Wahlergebnis anders ausgefallen wäre.
Davon zu unterscheiden ist der Fall, dass ein Verfahrensverstoß durch eine entsprechende Berichtigung des Wahlergebnisses behoben werden kann. Sollte sich z. B. bei der Feststellung des Minderheitengeschlechts ein Berechnungsfehler eingeschlichen haben, wird dieser lediglich korrigiert und der Betriebsrat dementsprechend neu zusammengesetzt. In diesem Falle ist eine Wahlanfechtung nicht möglich.
Demnach stellen Fehler, die bereits während des Wahlverfahrens erkannt und korrigiert wurden, keinen Anfechtungsgrund dar.
Zur Anfechtung der Betriebsratswahl sind nach § 19 Abs. 2 BetrVG mindestens drei Wahlberechtigte, eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft oder der Arbeitgeber autorisiert – eine Anfechtung durch eine/n einzelne/n Arbeitnehmer*in, den Wahlvorstand oder den Betriebsrat ist somit nicht möglich.
Eine Anfechtung der Betriebsratswahl ist nur binnen einer Ausschlussfrist von zwei Wochen nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses zulässig (§ 19 Abs. 2 BetrVG). Dabei handelt es sich um eine Ausschlussfrist, nach deren Ablauf die Wahl auch trotz erheblicher Mängel unanfechtbar wird. Die Anfechtung muss beim zuständigen Arbeitsgericht eingereicht werden.
Im Falle einer erfolgreichen Anfechtung ist die Wahl mit Rechtskraft des entsprechenden arbeitsgerichtlichen Beschlusses unwirksam und der Betriebsrat verliert sein Amt.
Bis zur Rechtskraft steht er trotz des laufenden Anfechtungsverfahrens in jeder Beziehung einem unangefochten amtierenden Betriebsrat gleich, insbesondere ist der Betriebsrat auch während des laufenden Anfechtungsverfahrens bei allen beteiligungspflichtigen Maßnahmen zu beteiligen, auch bleiben alle bis zum Abschluss des Anfechtungsverfahrens gefassten Beschlüsse gültig. Erst danach ist der Betrieb betriebsratslos und eine Neuwahl ist durchzuführen.
Mit der Rechtskraft der Feststellung der Ungültigkeit der Wahl ist dann allerdings die Amtszeit des Betriebsrats sofort beendet. Der Betriebsrat hat insbesondere kein Übergangsmandat bis zu einer ordentlichen Neuwahl. Damit tritt dann mit der Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung eine betriebsratslose Zeit mit all ihren negativen Folgeerscheinungen ein. Insbesondere ist der Wahlvorstand für die Neuwahlen nunmehr wieder im Rahmen einer Betriebsversammlung zu wählen. Außerdem verlieren in diesem Fall die Mitglieder des Betriebsrats auch ihren nachwirkenden Kündigungsschutz aus § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG in der „Abkühlungsphase“ nach dem Ende der Amtszeit. Sie behalten allerdings ihren besonderen Kündigungsschutz als Wahlbewerber nach § 15 Abs. 3 KSchG solange dieser noch nicht abgelaufen ist.
Der durch ein Wahlanfechtungsverfahren beeinträchtigte Betriebsrat sollte sich daher rechtzeitig vor dem Abschluss des Gerichtsverfahrens überlegen, ob es nicht klüger ist, den Weg zu Neuwahlen nach § 13 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG durch einen kollektiven Rücktrittsbeschluss zu eröffnen. Denn in diesem Falle könnte bis zum Abschluss des gerichtlichen Verfahrens bereits in einer jetzt fehlerfreien Wahl ein neuer Betriebsrat gewählt worden sein. Der durch Beschluss kollektiv zurückgetretene Betriebsrat führt die Amtsgeschäfte bis zur Neuwahl mit allen Rechten und Pflichten weiter (§ 22 BetrVG). Vgl. Anuschek/Schrader, Betriebsratswahl – Handbuch zur fehlerfreien Wahldurchführung, Rieder-Verlag, 7. Auflage 2022, S. 218 ff.
In ganz besonderen Ausnahmefällen, in welchen gegen wesentliche Grundsätze des Wahlrechts in hohem Maße verstoßen wurde, kann die Nichtigkeit der Wahl anzunehmen sein.
Die Konsequenzen sind in diesem Fall gravierend: Der betroffene Betriebsrat verliert rückwirkend sein Mandat, alle bisher gefassten Beschlüsse sind nichtig und es müssen – wie auch bei erfolgreicher Anfechtung – Neuwahlen durchgeführt werden.
Im Gegensatz zur Anfechtung kann die Nichtigkeit der Wahl von jeder Person geltend gemacht werden, und der Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit kann jederzeit gestellt werden – er ist nicht an eine gesetzliche Frist gebunden. Somit kann die Überprüfung auch nach Ablauf der zweiwöchigen Anfechtungsfrist während der gesamten Amtszeit des neu gewählten Betriebsrats erfolgen.
Mögliche Gründe für eine Nichtigkeit der Wahl können sein: