Nachdem bereits zentrale Wahlvorschriften im Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) durch das sogenannte „Betriebsrätemodernisierungsgesetz“ geändert wurden, ist nunmehr auch die angepasste Wahlordnung (WO) zum BetrVG bereits am 14. Oktober 2021 in Kraft getreten. Die neuen Regelungen sind ab sofort anzuwenden und gelten damit nicht nur für die nächsten regulären Wahlen zum Betriebsrat im Jahr 2022. Da keine Übergangsvorschriften bestehen, sind die Änderungen auch in laufenden - beispielsweise vorgezogenen - Betriebsratswahlen zu berücksichtigen!
Die Wahlordnung musste zwingend an die Gesetzesänderungen angepasst werden, wie etwa zum ausgeweiteten Anwendungsbereich des vereinfachten Wahlverfahrens oder der Wahlberechtigung schon ab dem 16. Lebensjahr. Die WO hat in der reformierten Fassung aber weitere Neuregelungen – von der Möglichkeit der Online-Sitzung des Wahlvorstands über die Abschaffung von Wahlumschlägen bei der Präsenzwahl bis hin zum erweiterten Spielraum des Wahlvorstands bei Fristen.
Bereits im Sommer ist das Betriebsverfassungsgesetz in wesentlichen Teilen geändert worden. In der reformierten Wahlordnung sind nun auch die Regeln zur Vorbereitung und Ablauf von Betriebsratswahlen angepasst worden. Ziele der Neuregelungen sind die Stärkung der Digitalisierung der Betriebsratswahl, Erhöhung der Wahlbeteiligung, Senkung der Kosten und Beseitigung von Rechtsunsicherheiten.
Dazu wurden viele wesentliche Wahlvorschriften im BetrVG bereits durch das Betriebsrätemodernisierungsgesetz geändert:
Diese Änderungen im BetrVG sind nun auch in der Wahlordnung entsprechend umgesetzt.
Zudem sind einige weitergehende Regelungen in die reformierte Wahlordnung aufgenommen worden. Die Wichtigsten kurz zusammengefasst sind:
Die neuen Regelungen sind ab sofort anzuwenden, auch in laufenden – beispielsweise vorgezogenen – Betriebsratswahlen!
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Grundsätzlich erfolgen die Sitzungen des Wahlvorstands in Präsenzform (§ 1 Abs. 3 Satz 2 WO). Entsprechend der Neuregelungen für Sitzungen des Betriebsrats (§ 30 Abs. 2 BetrVG) sind nunmehr auch die nicht öffentlichen Sitzungen des Wahlvorstands per Video- und Telefonkonferenz möglich (§ 1 Abs. 4 WO). Voraussetzung hierfür ist lediglich ein vorheriger Beschluss des Wahlvorstands. Dies gilt sowohl für vollständige Online-Konferenzen wie auch für „Hybrid-Sitzungen“ (Zuschaltung einzelner Mitglieder zur Präsenzsitzung). Eine vorherige Regelung durch Geschäftsordnung ist nicht erforderlich, ebenso wie es kein „Vetorecht“ einzelner Mitglieder gegen die Online-Sitzung gibt (anders die Regelungen für den Betriebsrat).
Weiterhin in Präsenzform müssen stattfinden bzw. ausdrücklich ausgenommen sind:
Praxishinweis:
Wie auch bei der virtuellen oder teilvirtuellen (hybriden) Betriebsratssitzung gilt:
Eine weitere Neuregelung in der WO betrifft Korrekturen an der Wählerliste. Diese waren bisher nur bis zum Vortag der Stimmabgabe möglich. Ab sofort sind Korrekturen an der Wählerliste noch bis zum Abschluss der Stimmabgabe am Tag der Wahl möglich (§ 4 Abs. 3 WO), d. h. der Wahlvorstand kann deutlich länger Berichtigungen wegen Schreibfehlern, offensichtlichen Unrichtigkeiten, erfolgreichen Einsprüchen oder Personalveränderungen (Eintritt in den bzw. Ausscheiden aus dem Betrieb) vornehmen.
Praxishinweis:
Die Durchführung von Briefwahl auf Verlangen nach § 24 Abs. 1 WO und die kraft Beschlusses für räumlich weit entfernte Betriebsteile und Kleinstbetriebe nach § 24 Abs. 3 WO bleiben unverändert. Ergänzt wurde § 24 Abs. 2 WO: Ab sofort darf der Wahlvorstand aber auch solchen Beschäftigten, die längere Zeit nicht im Betrieb anwesend sind, ohne gesondertes Verlangen die Wahlunterlagen zusenden, wenn ihm bekannt ist, dass die oder der Wahlberechtigte bis zum Wahltag voraussichtlich nicht anwesend sein wird. Damit wird die Briefwahl insbesondere erleichtert für langzeiterkrankte Mitarbeiter*innen und solche in Elternzeit – sie müssen die Unterlagen nicht mehr anfordern.
Praxishinweis:
Prüfen Sie sorgfältig, welche Kolleg*innen aufgrund ihrer besonderen Situation nicht anwesend sind oder sein werden. Beachten Sie dabei auch, dass es nicht nur um den Wahltag geht, sondern den gesamten Zeitraum ab dem Wahlausschreiben bis zur Wahl. Dies betrifft insbesondere die im Außendienst Beschäftigten, dauerhaft im Homeoffice Arbeitende sowie Langzeiterkrankte oder Beschäftigte, deren Arbeitsverhältnis ruht, z. B. wegen Elternzeit, Pflegezeit oder Sabbatical.
Neu sind weitere Pflichtangaben für das Wahlausschreiben nach § 3 WO:
Einschränkung der Anfechtung: Der Wahlvorstand muss im Wahlausschreiben ausdrücklich darauf hinweisen, dass eine (arbeitnehmerseitige) Anfechtung, die damit begründet wird, die Wählerliste sei falsch, ausgeschlossen ist, wenn nicht vorher schon ein Einspruch gegen die Wählerliste eingelegt wurde (vgl. § 3 Abs. 2 Nr. 3 WO und § 19 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 BetrVG). Für das vereinfachte Wahlverfahren gilt § 31 Abs. 3 WO entsprechend.
Fristen: Neben der Frist zur Einlegung eines Einspruchs gegen die Richtigkeit der Wählerliste muss auch auf die Rechtsfolge bei Versäumung der Einspruchsfrist hingewiesen werden. Auch muss das Wahlausschreiben Angaben zum neuen Absatz 2 des § 41 WO enthalten, wonach der Wahlvorstand die Möglichkeit hat, die Uhrzeit, bis zu der ihm Wahlvorschläge am letzten Tag des Fristablaufs wirksam zugehen können, festzulegen (dazu mehr unten unter 6.).
Briefwahlberechtigte: § 3 Abs. 4 WO legt weiter fest, dass der Wahlvorstand das Wahlausschreiben den in § 24 Abs. 2 WO genannten Briefwähler*innen (vgl. dazu schon oben unter 3.) “postalisch oder elektronisch” übermitteln muss. Die entsprechenden Informationen muss der Arbeitgeber bereitstellen. Diesen Beschäftigten muss der Wahlvorstand später auch ungefragt Briefwahlunterlagen zusenden (s. o.).
Praxishinweis:
Sofern mit dem Arbeitgeber in diesem Fall (also bei 101 bis zu 200 wahlberechtigten Arbeitnehmern) nicht die Durchführung des vereinfachten Wahlverfahrens vereinbart wurde, muss die Wahl in Form der sog. Listenwahl durchgeführt werden.
Im Gegenzug zum Mehraufwand bei Wahlausschreiben gibt es bei der Stimmabgabe und Auszählung Arbeitserleichterungen für den Wahlvorstand:
Für die Urnenwahl sind nunmehr die Wahlumschläge abgeschafft – ähnlich wie bei vielen politischen Wahlen. D. h. wer vor Ort im Betrieb (in Präsenz) wählt, kann seinen Stimmzettel künftig direkt in die Urne werfen. Dabei muss das Blatt so gefaltet sein, dass das Abstimmungsverhalten unsichtbar bleibt (vgl. §§ 11, 20 und 34 WO).
Praxishinweis:
Geändertes Verfahren zur Bearbeitung der Briefwahl-Stimmen: Wichtig ist eine Änderung beim Umgang mit Briefwahlstimmen. Bisher musste der Wahlvorstand die per Briefwahl eingegangenen Stimmen „unmittelbar vor Abschluss der Stimmabgabe“ öffnen und in die Wahlurne legen. Dabei war in der Praxis häufig unklar, welches genau der richtige Zeitpunkt ist. Die Neufassung der § 26 Abs. 1 und § 35 Abs. 4 WO legen nunmehr fest, dass die eingegangenen Freiumschläge erst zu Beginn der öffentlichen Sitzung zur Stimmauszählung geöffnet, kontrolliert und gültige Stimmzettel in die bis dahin versiegelte Wahlurne gelegt werden sollen.
Praxishinweis:
Gem. § 41 Abs. 2 WO wird nunmehr klargestellt, dass der Wahlvorstand in bestimmten Fällen selbst festlegen kann, bis zu welcher Uhrzeit bestimmte Erklärungen (insbesondere Wahlvorschläge, Einwendungen oder Widersprüche) am letzten Tag der Frist eingehen müssen. Damit wird die bereits zuvor von der Rechtsprechung anerkannte Befugnis in der Wahlordnung umgesetzt. Allerdings: Die Uhrzeit darf nicht vor dem Ende der Arbeitszeit der Mehrheit der Wähler*innen an diesem Tag liegen. Für das vereinfachte Wahlverfahren gilt § 36 Abs. 3 Ziff. 2. WO.
Praxishinweis:
Eine ausführliche Darstellung aller die Betriebsratswahlen betreffenden Änderungen im BetrVG und in der Wahlordnung (Synopse) können Sie hier als PDF kostenlos downloaden.
Die WO wurde nur an einigen Stellschrauben geändert und ist im Wesentlichen eine Anpassung an die geänderten BetrVG-Vorschriften durch das zuvor in Kraft getretene Betriebsrätemodernisierungsgesetz. Ob die Ziele der Reform (Stärkung der Digitalisierung der Betriebsratswahl, Erhöhung der Wahlbeteiligung, Senkung der Kosten und Beseitigung von Rechtsunsicherheiten) gefördert oder erreicht werden, bleibt abzuwarten – bis die Regelungen in der Praxis auch erprobt sind. Die Abschaffung der Wahlumschläge für die Urnenwahl mag dem Wahlvorstand die Arbeit erleichtern, hat aber voraussichtlich nur geringe Kosten- und Umwelt-Effekte, auch weil Umschläge bei der Briefwahl weiterhin erforderlich sind. Insgesamt ein eher zurückhaltender Versuch, gerade was die beabsichtigte Stärkung der Digitalisierung der Betriebsratswahl angeht. Erfreulich, dass eine ehr unkomplizierte Regelung für virtuelle bzw. hybride Sitzungen geschaffen wurde. Allerdings hätte auch der Weg für eine virtuelle Betriebsratswahl geschaffen werden können. Aber vielleicht kommt diese „große“ Lösung ja zur nächsten turnusgemäßen Wahl in 2026!
https://www.betriebsratswahlen.de/