Immer wieder kommt es vor, dass durch Starkregen Keller voll Wasser laufen und Straßen überschwemmen. Welche arbeitsrechtlichen Folgen haben solche Naturkatastrophen eigentlich?
Müssen von Naturkatastrophen Betroffene zur Arbeit gehen, wenn ihrem Haus die Überflutung droht? Was ist, wenn ihr Betrieb stillgelegt wurde durch die Wassermassen? Oder wenn sie nicht mehr zu ihrem Betrieb kommen können, weil die Wege nicht mehr befahrbar sind? Bekommen sie weiter ihren Lohn, auch wenn sie nicht zur Arbeit erscheinen, weil sie freiwillige Hilfe leisten?
Glücklicherweise wird in der Regel keiner der ehrenamtlichen Helfer, der sich für eine anerkannte Hilfsorganisation engagiert, für seine Hilfeleistung "bestraft". In der Regel besteht ein Freistellungsanspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber unter Fortzahlung der Bezüge. Ist das gerecht gegenüber dem Arbeitgeber? Hat dieser das Risiko einer Naturkatastrophe bzw. das Ausfallrisiko seines - ehrenamtlich bestrebten und hilfsbereiten - Mitarbeiters allein zu tragen? Wohl kaum. Daher hat auch der Arbeitgeber in der Regel einen - vollen oder teilweisen - Erstattungsanspruch gegenüber der Gemeinde oder der jeweiligen Hilfsorganisation, da der Katastrophenschutz Regelungssache der jeweiligen Bundesländer ist. Grundgedanke ist, dass freiwilligen Helfern aus Ihrem Dienst keine Nachteile erwachsen sollen. Der Katastrophenschutz ist eine Hilfeleistung für das Allgemeinwohl und soll daher auch von der Gemeinschaft getragen werden.
Sollte der Arbeitnehmer aufgrund seiner freiwilligen Hilfstätigkeit arbeitsunfähig erkranken, unter Umständen auch über die Dauer seines Einsatzes hinaus, wird diese Entgeltfortzahlung ebenfalls nach den jeweiligen Landesgesetzen, den Katastrophenschutz-, Feuerwehr- und Brandschutzgesetzen, geregelt und dem Arbeitgeber ganz oder zum Teil erstattet.
Etwas anderes gilt für eine "private Hilfeleistung" einem Dritten gegenüber. Hier wird sich der Arbeitnehmer in der Regel nicht auf die Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers berufen können. Es muss ein Engagement für eine anerkannte Organisation vorliegen, wie z. B. dem technischen Hilfswerk oder der freiwilligen Feuerwehr.
Was aber, wenn der Arbeitnehmer nicht zur Arbeit erscheinen kann, weil sein Haus oder seine Familie unmittelbar von einer Naturkatastrophe bedroht ist?
In diesem Fall hilft § 616 BGB. Nach diesem ist der Anspruch auf die Vergütung weiterhin gegeben, wenn der Arbeitnehmer "für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird". Von der Rechtsprechung wird in diesem Zusammenhang auch die "Unzumutbarkeit" für den Arbeitnehmer gezählt, der aufgrund einer Naturkatastrophe und der sich daraus ergebenden Notsituation seine Familie und sein Haus schützen will.
Und wenn der Arbeitnehmer aufgrund einer Naturkatastrophe oder eines Unwetters zu spät zur Arbeit erscheint? Kann der Arbeitnehmer nicht zur Arbeit erscheinen weil der Weg nicht "frei" ist, ist er nicht unter Weiterzahlung der Vergütung von der Arbeitsleistung befreit. Das sogenannte "Wegerisiko", also das "pünktliche zur Arbeit Erscheinen" liegt allein im Risikobereich des Arbeitnehmers. Erleidet der Arbeitnehmer aufgrund eines Unwetters auf dem Weg zur Arbeit jedoch einen Unfall, so handelt es sich um einen Wegeunfall der dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung unterliegt. Dies gilt aber nur, soweit der Arbeitnehmer den direkten Weg zur Arbeit gewählt hat. Hat der Arbeitnehmer Umwege gemacht oder ist unterwegs privaten Dingen, wie z. B. Einkaufen, nachgegangen, verwirklicht sich das sogenannte "allgemeine Lebensrisiko" und ist vom Arbeitnehmer zu tragen.
Der Arbeitgeber hingegen trägt das "Betriebsrisiko". Er hat dem Arbeitnehmer grundsätzlich die Arbeitsmöglichkeit zur Verfügung zu stellen, auch wenn, wie z. B. bei Naturkatastrophen, "höhere Gewalt" die Stilllegung des Betriebes erfordert. Das heißt, kann der Arbeitgeber aufgrund einer Naturkatastrophe oder anderen Umständen den Arbeitnehmer nicht beschäftigen, so besteht grundsätzlich die Pflicht zur Zahlung des vereinbarten Lohns. Diese Verpflichtung ergibt sich aus § 615 BGB.
Einige Tarifverträge regeln jedoch die Länge und Höhe der Weiterzahlungspflicht bei Fällen "höherer Gewalt" um auch den Arbeitgeber nicht über Gebühr zu belasten. Auch vertraglich kann der Arbeitgeber mit den Mitarbeitern andere Regelungen treffen. Eine weitere Möglichkeit für den Arbeitgeber besteht unter Umständen darin, Kurzarbeitergeld über die Bundesagentur für Arbeit zu beziehen, soweit die Voraussetzungen der §§ 95 ff. SGB III erfüllt sind und Kurzarbeit wirksam mit den jeweiligen Mitarbeitern vereinbart werden kann.
In den Fällen des Eintretens einer Naturkatastrophe hat der Arbeitgeber das Recht, seine Arbeitnehmer auch zu anderen als arbeitsvertraglich vereinbarten Aufgaben heranzuziehen. Den Arbeitnehmer trifft in Notfällen eine Pflicht zur Schadensabwendung aus § 242 BGB. Daher können den Mitarbeitern auch ausnahmsweise "niedrigere Tätigkeiten" abverlangt werden. Der Arbeitgeber kann zudem von den üblichen Arbeitszeitgrenzen abweichen und gemäß § 14 ArbZG eine längere Arbeitsdauer anordnen.
Bei kurzfristigen Notfällen muss dem Arbeitgeber auch ein einseitiges Regelungsrecht zustehen, so dass der Betriebsrat unter Umständen seine Mitbestimmungsrechte nach § 87 I Nr. 2 und 3 nur eingeschränkt wahrnehmen kann. Handelt es sich allerdings um aufschiebbare Maßnahmen, wie z. B. Aufräumarbeiten, ist der Betriebsrat zwingend zu beteiligen. Im Wesentlichen kommt es hier also auf die Beurteilung an, ob eine dringende Schutzmaßnahme durchgeführt werden soll die unaufschiebbar ist oder nicht. Hier sollten Betriebsrat und Arbeitgeber auch im Sinne einer vertrauensvollen Zusammenarbeit gemeinschaftlich das Wohl des Unternehmens und die damit einhergehenden, notwendigen Maßnahmen im Blick haben, um die Arbeitsplätze auch langfristig zu sichern.