Die Ungewissheit über die Dauer einer belastenden Situation – ob privat oder beruflich – kann für viele Menschen großen Stress bedeuten. Während sich die einen mit nicht beeinflussbaren Gegebenheiten vergleichsweise leicht arrangieren, fällt es anderen umso schwerer, je länger die Umstände andauern.
Die meisten Menschen können besser mit Stress umgehen, wenn sie sich mental darauf einstellen können, wann die Belastungssituation beendet ist. Es war und ist die Ungewissheit, die belastet. Wenn Stress-Situationen kein absehbares Ende haben, sprechen wir von Dauerstress. Diese Stressform birgt die größte Gefahr, gesundheitliche Auswirkungen zu haben. Wenn die ausgeschütteten Stresshormone aufgrund der Daueranspannung nicht abgebaut werden können, wird das Immunsystem geschwächt. Zum Beispiel bleibt das Stresshormon Cortisol erhöht, was Depressionen begünstigen kann.
Seit längerem beschäftigen sich Wissenschaftler:innen damit: Was machen Menschen, die gut mit Stress und Krisensituationen umgehen können und sogar gestärkt daraus gehen können? Was fördert die psychische Widerstandskraft?
Die beiden US-Wissenschaftler Karen Reivich und Andrew Shatté haben unterschiedliche Säulen der „psychischen Widerstandskraft“/ der Resilienz herausgearbeitet.
Diese sogenannten Resilienz-Schutzfaktoren haben in in den letzten Jahren eine immer größere Bedeutung im Umgang mit Stress bekommen. .
Unter anderem:
Realistischer Optimismus
Wer eine Krise bewältigen möchte, sollte fest daran glauben, dass Krisen zeitlich begrenzt sind und überwunden werden können.
Akzeptanz
Ja, es gibt im Leben immer Ungewissheiten, Einschränkungen und begründete Ängste. Das Annehmen der aktuell nicht zu verändernden Tatsachen hilft, unnötig Energie darin zu verschwenden, darüber nachzudenken, was alles nicht möglich ist oder Schuldige zu suchen.
Lösungsorientierung
Optimismus und Akzeptanz führen zum nächsten Schritt. Es ermöglicht eher Chancen und neue kreative Lösungen zu erkennen. Es ist schon spannend, was alles Neues zum Besipiel in der Corona- Krisenzeit entstanden ist: nicht technikaffine Menschen wurden zu digitalen Spezialisten, das erste Date im Autokino, BR/SBV-Videokonferenzen konnten z. T. vom Wohnzimmer ausgeführt werden.
Gedanken beobachten
In Stresssituationen können Gedanken eine „Eigendynamik“ entwickeln und irgendwann ist alles belastend. Hier hilft es genauer wahrzunehmen, was belastet mich am meisten, was beruhigt mich. Was ist real, was ist eine Mutmaßung…? Shattlé empfiehlt, die Gedanken aufzuschreiben.
Statt Aufschreiben kann man den Resilienz-Faktor der Netzwerkorientierung nutzen, um sich mit anderen gezielt über diese Fragen auszutauschen: Was ist für dich das Belastende im Moment, welche positiven Erfahrungen hast du bisher erlebt, wie haben sich im Laufe der Krise deine Gedanken verändert?
Als SBVler besteht sicherlich die Herausforderung darin, dass die Kollegen häufig sehr unterschiedlich mit belastenden Situationen umgehen. Manche sind sehr, sehr vorsichtig, andere sind weniger ängstlich, Für die unterschiedlichen Sichtweisen gibt es nicht selten Unverständnis.
Hier gilt es als SBVler den Austausch zu fördern: Hintergründe, Zahlen und Fakten zu nennen. Die finden allerdings meist nur dann Gehör, wenn ein gegenseitiger respektvoller und wertschätzender Umgang gepflegt wird
von R. Gehling
Dipl.-Sozialpädagogin, Supervisorin/Coach (DGSv), Integrative Gestalttherapeutin (FPI)