Was assoziieren Sie mit Macht: Kampf, Stärke, Ohnmacht, ausgeliefert sein, Kontrolle, Männer, Herrschaft, Unterdrückung, Verantwortung, Wissen, Dominanz, Einfluss, Manipulation, Missbrauch, Druck, Geld, Erfolg, Gestaltung, Durchsetzungskraft…?? Oder einfach nur „Macht kommt von machen“?
Der Begriff „Macht“ löst bei vielen Menschen nicht selten unangenehme Gefühle aus. Hintergrund dafür sind meist Erlebnisse der Ungleichheit oder Situationen, in denen man die Erfahrung gemacht hat, „gegen Wände zu rennen“ und den damit verbundenen Ohnmachtsgefühlen.
Den Eindruck „gegen Wände zu rennen“ kennen auch manche Betriebsräte. Ihr Erfolg hängt meist davon ab, möglichst viele Interessen und Belange der Belegschaft gegenüber der Geschäftsleitung durchzusetzen. Dafür bieten die gesetzlichen Rahmenbedingungen Möglichkeiten und Grenzen.
Unabhängig von den gesetzlichen Möglichkeiten der Mitbestimmung, hängen Erfolge auch von einer guten Zusammenarbeit zwischen BR und Geschäftsführung ab. BR-Mitglieder bewerten die Zusammenarbeit meist dann positiv, wenn sie den Eindruck haben, dass die GF ihnen auf „Augenhöhe begegnet“. Aber Verhaltensweisen wie zum Beispiel ein häufiges Zuspätkommen zu gemeinsamen Besprechungen, ein unangemessenes Lächeln, das Vermeiden von Blickkontakt, das Lesen von Mails während der Besprechung, ein nicht-Ausreden lassen, verhindern meist eine Kommunikation auf Augenhöhe. Sie werden als Machtdemonstration bzw. als Machtspiel erlebt.
Sachliche Auseinandersetzung steht dann nicht mehr im Vordergrund. Machtspiele finden meist auf der Beziehungsebene statt und sind damit häufig mit Gefühlen von Ohnmacht, Ärger und Rache verbunden. Problem: Betriebsräte regen sich im Nachhinein auf, bestätigen sich gegenseitig, wie ungerecht und unfair die Sitzung war. Um wieder eine Machtbalance zu haben, wird vielleicht überlegt, einen Rechtanwalt einzuschalten. Das kann sinnvoll sein, ist aber nicht immer eine Lösung.
Schritt 1: Analyse
Erfahrungen austauschen - Gefühle anerkennen
Anerkennung des Gefühls, sich ohnmächtig gefühlt zu haben. Tauschen Sie sich aus, welche konkreten Verhaltensweisen des Gegenübers Ihnen den Eindruck vermittelt haben, nicht auf Augenhöhe behandelt worden zu sein. Ab wann fingen die Machtspiele an? Akzeptieren Sie, dass jedes BR-Mitglied vielleicht die Situation unterschiedlich bewertet.
Schritt 2: Vorbereitung
a) Innerlich Macht aufbauen: Durch die Überzeugung in die eigenen Kompetenzen, stärken Sie Ihre Erwartungshaltung, auch in schwierigen Situationen etwas bewirken zu können. Bandura (1977/1997) nennt das Selbstwirksamkeitserwartung.
b) Bereiten Sie sich auf Ihnen bekannte Machtspiele vor. Wie wollen Sie reagieren?
Schritt 3: Machtbalance in der Sitzung behalten durch:
a) Strategisch gute Sitzplätze: Wenn möglich, setzen sich so, dass alle BR-Mitglieder miteinander Blickkontakt halten können.
b) Aufrechte Körperhaltung, mindestens einen Fuß fest mit dem Boden verankert.
c) Festen Blickkontakt zu den Gesprächspartnern halten
d) Aktives Reagieren zum Beispiel:
Bei häufigem Zuspätkommen sprechen Sie ohne Vorwurfshaltung das Thema an und fragen Sie:
„Wie wollen wir generell mit dem Thema „Pünktlichkeit“ umgehen?"
Bei einem unangemessenen Lächeln, reagieren Sie zum Beispiel: „Sie lächeln, wie soll ich das interpretieren?“
Schritt 4: Nachbereitung
Nehmen Sie sich Zeit dafür, sich darüber auszutauschen, wo Sie (k)eine Machtbalance erlebt haben. Was konnten Sie durch Ihr Verhalten bewirken?
Aber nicht nur in Gesprächen/Verhandlungen mit der Geschäftsleitung können Machtspiele stattfinden. Auch innerhalb des Betriebsrats, sowie in der Zusammenarbeit zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern und genauso zwischen Kollegen. Wer setzt sich mit welchen Interessen durch?
Ein Klassiker: Bürofenster auf oder zu? Findet man unter Kollegen eine Regelung, in dem jeder seine Interessen gewahrt sieht? Kann jeder gleich gut seine Interessen vertreten? Gibt es übergeordnete Werte, die ich meinen Bedürfnissen unterordne? Wie zum Beispiel in der aktuellen Coronakrise, oder die Pollenallergie einer Kollegin? Vorschlag: Im Zweifelsfall machen Sie es wie Kinder, jeder darf einmal eine bestimmte Zeit „Bestimmer“ sein.
Raus aus der Ohnmacht heißt auch, Vertrauen in die eigene Selbstwirksamkeit zu haben. Dazu gehört, nicht nur äußere Umstände und andere Personen für die eigene Ohnmacht verantwortlich zu machen, sondern aktiv ins Geschehen bzw. in das Machtspiel einzugreifen.