EuGH: Kündigung wirksam trotz Fehler im Massenentlassungsverfahren

 

730x300 - Spielfiguren werden von Finger umgeworfen

 

Der EuGH hat entschieden, dass zumindest der Verstoß gegen die Übermittlungspflicht nach § 17 Abs. 3 S. 1 KSchG an die Agentur für Arbeit nicht zur Unwirksamkeit einer Kündigung führt (EuGH, Urt. v. 13.07.2023, Az. C-134/22 G GMBH).  Ausschlaggebend dafür ist die Schutzfunktion der Übermittlungspflicht. Der EuGH beendet damit vermutlich die jahrelange Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (das BAG hatte die Frage vorgelegt). Bisher hatte das BAG bei Fehlern im Konsultations- oder Anzeigeverfahren nach §§ 17 ff. KSchG die zwingende Unwirksamkeit von Kündigungen angenommen.

Hintergrund: Im Fall einer anzeigenpflichtigen Massenentlassung muss der Arbeitgeber nicht nur eine Anzeige bei der zuständigen Agentur für Arbeit erstatten (Anzeigeverfahren), sondern zuvor den Betriebsrat beteiligen (sog. Konsultationsverfahren nach § 17 Abs. 2 KSchG). Ziel des Konsultationsverfahrens ist es, mit dem Betriebsrat zu beraten, ob Entlassungen vermieden bzw. die Folgen gemindert werden können.  
Nach § 17. Abs. 3 S. 1 KSchG muss der Arbeitgeber der Agentur für Arbeit im Rahmen des Anzeigeverfahrens dann auch eine Abschrift seiner Mitteilung an den Betriebsrat aus dem Konsultationsverfahren zuleiten. 

Der EuGH legt nun die zugrundeliegende Richtlinie kollektiv aus: Die Pflicht, die Konsultationsunterlagen der Agentur für Arbeit zuzuleiten, besteht nur zu Informations- und Vorbereitungszwecken, damit die zuständige Behörde gegebenenfalls ihre weiteren Befugnisse wirksam ausüben kann (arbeitsmarktpolitische Zwecke). Ziel sei es, das sich die Behörde auf die Entlassungen vorbereiten könne, um möglichst einzuordnen, wie sie Lösungen für die betroffenen Arbeitnehmer*innen nach Erhalt der Massenentlassungsanzeige entwickeln könne. Zu diesem Zeitpunkt der Zuleitung der Konsultation, geht es noch nicht darum, dass sich die Agentur für Arbeit mit dem individuell betroffenen Arbeitnehmer befasst. Daher diene die Übermittlungspflicht nicht dem Individualschutz der Arbeitnehmer*innen. 

Abzuwarten bleibt, ob der EuGH auch bei anderen Fehlern im Konsultations- oder Anzeigeverfahren die strenge Folge der Unwirksamkeit der Kündigung in Frage stellen wird.

 

Nachzulesen u.a. bei LTO oder CMS