In der praktischen Arbeit des Betriebsrats bestehen für seine Mitglieder zahlreiche Verpflichtungen. Ein Betriebsratsmitglied muss beispielsweise grundsätzlich an dessen Sitzungen teilnehmen. Kommt es dieser Verpflichtung nicht nach, kann das unter Umständen sogar zu seinem Ausschluss aus dem Gremium führen.
Ist das Mitglied zum Sitzungszeitpunkt zeitweilig verhindert, rückt für die Dauer der Verhinderung ein Ersatzmitglied nach. Das ist in § 25 Abs. 1 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) so geregelt.
Aber unter welchen Umständen ist eigentlich ein Betriebsratsmitglied aufgrund betrieblicher Abwesenheit zeitweilig verhindert? Und kann oder muss es, obwohl es vorübergehend nicht im Unternehmen ist, vielleicht trotzdem seiner Betriebsratstätigkeit nachkommen?
Zur Beantwortung dieser Fragen hilft ein Blick in die Kommentierung zu § 25 BetrVG und die dort genannten Urteile weiter. Eine zeitweilige Verhinderung liegt danach dann vor, wenn ein Betriebsratsmitglied sich vorübergehend nicht in der Lage sieht, sein Amt auszuüben (vgl. BAG, Urteil vom 08.09.2011 - 2 AZR 388/10).
Das kann, muss aber nicht zwingend der Fall sein, wenn das Mitglied beispielsweise im Urlaub ist. Die Fähigkeit zur Teilnahme an Betriebsratssitzungen ist nämlich grundsätzlich von der Anwesenheit im Unternehmen getrennt zu betrachten. Zwar ist einem/r Arbeitnehmer*in persönlich nicht zuzumuten, auch im Erholungsurlaub an Betriebsratssitzungen teilzunehmen. Hat er bzw. sie jedoch ausdrücklich seine Bereitschaft angezeigt, im Urlaub für die Arbeit im Gremium zur Verfügung zu stehen, so ist ihm bzw. ihr dies unbenommen (vgl. BAG, Urteil vom 27.09.2012 - 2 AZR 955/11).
Eine Heranziehung zu Betriebsratsaufgaben außerhalb der persönlichen Arbeitszeiten stellt dagegen grundsätzlich keinen Verhinderungsgrund dar (vgl. BAG, Urteil vom 27.09.2012 – 2 AZR 955/11). Für die außerhalb der Arbeitszeit erbrachte Betriebsratstätigkeit steht dem/r Arbeitnehmer*in ein Anspruch auf entsprechende Arbeitsbefreiung zu (§ 37 Abs. 3 S.1 BetrVG).
Ähnlich wie im Urlaubsfall verhält es sich, wenn ein Betriebsratsmitglied krankheitsbedingt arbeitsunfähig ist. Bei einer bestehenden Krankschreibung wird zwar zunächst prinzipiell vermutet, dass auch die Fähigkeit zur Betriebsratsarbeit nicht gegeben ist. Diese Vermutung kann jedoch vom/von der Arbeitnehmer*in widerlegt werden (vgl. BAG, Urteil vom 15.11.1984 - 2 AZR 341/83). Teilt diese/r also dem/r Betriebsratsvorsitzenden mit, dass er bzw. sie trotz Erkrankung an der Sitzung teilnehmen kann und will, muss kein Ersatzmitglied geladen werden.
Hinsichtlich Schwangerschaft und Mutterschutz gelten ähnliche Prinzipien wie bei einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit. Wurde ärztlicherseits während der Schwangerschaft ein Beschäftigungsverbot ausgesprochen, muss das nicht zwingend auch eine Amtsunfähigkeit als Betriebsrätin zur Folge haben. Gleiches gilt für die Zeit des Mutterschutzes in den letzten sechs Wochen vor der Entbindung gemäß § 3 Abs. 1 Mutterschutzgesetz (MuSchG). Auch hier kommt es auf den erklärten, jederzeit widerrufbaren Willen der betroffenen Betriebsrätin an, ob sie sich vorübergehend verhindert sieht oder nicht. Nur im ersteren Fall ist ein Ersatzmitglied für sie zu stellen. Lediglich in der gesetzlichen Schutzfrist acht Wochen nach der Entbindung besteht für eine Arbeitnehmerin ein absolutes Beschäftigungsverbot gem. § 3 Abs. 2 MuSchG (vgl. BAG, Urteil vom 14. 10. 1954 - 2 AZR 30/53). Dieses erstreckt sich auch auf eine Betätigung im Betriebsrat.
Später in der Elternzeit kann das Betriebsratsmitglied dann wieder selbst entscheiden, ob es sich aus persönlichen Gründen zeitweilig an der Betriebsratsarbeit verhindert sieht oder nicht (vgl. BAG, Beschluss vom 25.05.2005, - 7 ABR 45/04). Und auch hier sind, wie in allen vorab aufgezeigten Alternativen, entsprechende Willenserklärungen natürlich jederzeit widerrufbar.
Möchte übrigens ein Betriebsratsmitglied in der Elternzeit sein Kind mit Zustimmung des Gremiums gerne zu Sitzungen mitnehmen, wäre ein solches Vorgehen vorab mit dem Arbeitgeber abzustimmen. Einen Rechtsanspruch darauf, Kinder mit in den Betrieb zu nehmen, gibt es nämlich nicht. Will ein Arbeitgeber, aus welchen Gründen auch immer, keine Kinder im Unternehmen dulden, kann er dies schon unter Berufung auf sein Hausrecht durchsetzen. Viele Arbeitgeber werden sich diesbezüglich jedoch durchaus aufgeschlossen zeigen, natürlich unter Berücksichtigung der jeweiligen betrieblichen Besonderheiten und nach Klärung der haftungsrechtlichen Fragen mit ihrer Betriebshaftpflichtversicherung. Stellen doch heutzutage familienfreundliche, flexible Betriebsstrukturen eine wichtige Steigerung der Attraktivität eines Unternehmens nach innen und nach außen und damit einen klaren Wettbewerbsvorteil dar. Bei der Schaffung entsprechender Betriebsvereinbarungen wird sich der Betriebsrat in Erfüllung seiner in § 80 Abs. 1 Ziff. 2b BetrVG normierten Aufgabe, die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit im Unternehmen zu fördern, gerne konstruktiv einbringen.