Die krankheitsbedingte Kündigung

730x300 verzweifelter Mann am PC - Frau im Hintergrund

Huch, ich habe „Corona“ – kann mir mein Arbeitgeber jetzt kündigen, weil ich erkrankt bin?

Kann man eigentlich überhaupt gekündigt werden, weil man wegen einer Erkrankung nicht mehr in vollem Umfang arbeiten kann?

Geht eine solche Kündigung auch, wenn man sich gerade „im Krankenstand“ befindet?

Und: Wann ist man eigentlich arbeitsunfähig krank?

Diese und viele andere Fragen, die gerade auch im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie aufgetreten sind, drehen sich um ein wichtiges kündigungsrechtliches Instrument, die sog. krankheitsbedingte Kündigung. Sie ist ein Unterfall der personenbedingten Kündigung, die in § 1 Abs. 2 KSchG vorgesehen ist und kann dann, wenn sie den rechtlichen Vorgaben genügt, die arbeitgeberseitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses sozial rechtfertigen. Was muss man als Arbeitnehmer (und Betriebsrat) wissen, um die Rechtswirksamkeit einer derartigen personellen Maßnahme zutreffend zu beurteilen?

Die krankheitsbedingte Kündigung unterscheidet sich von der verhaltensbedingten vor allem dadurch, dass dem Arbeitnehmer keine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung (Stichwort: “Blau machen“) vorgeworfen wird, sondern an seiner Person angeknüpft wird. Krankheit ist - kurz gesagt - ein unregelmäßiger Körper- oder Geisteszustand, der der Heilbehandlung bedarf und in der Regel vom Arbeitnehmer nicht verschuldet ist. Zum Kündigungsgrund kann ein solcher Zustand aber erst dann werden, wenn dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar wird.

Die Rechtsprechung insbesondere des Bundesarbeitsgerichts hat hierzu zwei Varianten entwickelt. Zum einen darf der Arbeitgeber bei sog. wiederholten Kurzerkrankungen eine Kündigung in Erwägung ziehen, wenn diese Erkrankungen in der Vergangenheit über einen Beobachtungszeitraum, der regelmäßig drei Jahre betragen sollte, festzustellen sind. Zum anderen ist eine Kündigung - übrigens auch während der Krankheit - grundsätzlich dann möglich, wenn eine Langzeiterkrankung vorliegt, die sich regelmäßig über mehrere Monate oder sogar Jahre erstrecken muss. In beiden Fallkonstellationen indizieren die Fehlzeiten in der Vergangenheit (zunächst) deren voraussichtliches Auftreten auch in der Zukunft.

Natürlich darf der Arbeitgeber selbst bei Vorliegen der gerade geschilderten Voraussetzungen und Umstände nicht „einfach so“ kündigen. Er muss u. a. prüfen, ob die Fehlzeiten des Arbeitnehmers so gravierend sind, dass es zu erheblichen betrieblichen Beeinträchtigungen kommt, weil z. B. die Produktions- oder Arbeitsabläufe empfindlich gestört werden oder unzumutbare finanzielle Belastungen entstanden sind. Er muss weiter prüfen, ob es möglich ist, den arbeitsunfähig erkrankten Arbeitnehmer auf einem anderen, leidensgerechten Arbeitsplatz weiter zu beschäftigen, weil dort nicht mehr mit den Ausfallzeiten zu rechnen ist, die in der Vergangenheit aufgetreten waren.

Und schließlich ganz wichtig: Der Arbeitgeber sollte vor Ausspruch einer Kündigung das betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) nach § 167 Abs. 2 SGB IX durchgeführt haben, um den Verlust des Arbeitsplatzes zu vermeiden. Hat er dies nicht getan oder zumindest rechtskonform versucht, hat der Arbeitgeber im nachfolgenden Kündigungsschutzprozess regelmäßig schlechte Karten.

Dies nicht zuletzt deshalb, weil er in diesem Prozess nicht nur darlegen und beweisen muss, dass die zunächst nur indizierte negative Gesundheitsprognose tatsächlich vorhanden ist – was übrigens in der gerichtlichen Praxis oft nur mit Hilfe eines arbeitsmedizinischen Gutachtens gelingt. Der Arbeitgeber muss das Gericht aber eben auch davon überzeugen, dass er alles getan hat, um die drohende krankheitsbedingte Kündigung zu verhindern (sog. ultima-ratio-Prinzip).

Fazit: Kein Arbeitnehmer muss mit Blick auf die oben gestellte Eingangsfrage befürchten, wegen einiger Ausfalltage oder -wochen, die auf eine coronabedingte Erkrankung zurückzuführen sind, gekündigt zu werden. Die Messlatte zur Rechtfertigung krankheitsbedingter Kündigungen ist von der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung sehr hoch gehängt worden. In der Praxis sind es deshalb eher gravierende Ausnahmefälle, in denen derartige Kündigungen von den Gerichten als sozial gerechtfertigt beurteilt worden sind.

Seminartipps