Bald ist es wieder soweit. Regelmäßig wie die Fußballweltmeisterschaft finden wieder die Betriebsratswahlen statt. Und (kurz) vor diesen Wahlen halten sich auch viele Betriebsräte mit ihren Seminarbesuchen zurück. Das ist sehr bedauerlich, denn nur ein geschulter Betriebsrat kann seine Rechte und die Rechte seiner Belegschaft ordnungsgemäß wahrnehmen.
Rechtlich steht dem Schulungsanspruch auch nichts entgegen. Das oberste deutsche Arbeitsgericht hat schon im Jahre 2008 entschieden, dass Betriebsräte Schulungen auch noch kurz vor der Wahl besuchen dürfen.
Also, der Schulungsanspruch des Betriebsrats ist in § 37 BetrVG geregelt. Hier heißt es wiederrum in Absatz 6, dass der Arbeitgeber dem Betriebsrat Schulungen zu gewähren hat, wenn diese Kenntnisse vermitteln, die für die Arbeit des Betriebsrats "erforderlich" sind.
Entscheidend ist also immer die "Erforderlichkeit" der Schulung. Was jedoch heißt das jetzt konkret? Die Rechtsprechung bejaht die Erforderlichkeit dann, wenn die vermittelten Kenntnisse unter Berücksichtigung der konkreten Situation im Betrieb und im Betriebsrat benötigt werden, damit das Gremium seine derzeit und demnächst anfallenden gesetzlichen Aufgaben wahrnehmen kann. Entscheidend ist also nicht, dass konkrete Situationen absehbar sind, die besondere Kenntnisse aus der Schulung voraussetzen, sondern, dass der Betriebsrat dies bei der Beschlussfassung nicht ausschließen konnte und diese Kenntnisse möglicherweise in der Zukunft benötigt.
Die Rechtsprechung unterscheidet beim Seminarbesuch zwischen Grundlagen- und Spezialschulungen.
Möchte der Betriebsrat durch eine Schulung Spezialwissen erwerben, also solches, das über die Grundkenntnisse hinausgeht, muss er hierzu einen aktuellen, betriebsbezogenen Anlass darlegen. Ein solcher kann beispielsweise dann gegeben sein, wenn eine Betriebsschließung ansteht oder ein Betriebsratsmitglied ein besonderes Amt übernimmt.
Einfacher ist es, wenn es "nur" um die Vermittlung von sog. "Grundlagenwissen" geht. So gehört die Schulung allgemeiner Kenntnisse im Betriebsverfassungs-, Arbeits- und Arbeitssicherheitsrecht (!) in den sog. Grundlagenseminaren in jedem Fall zu den zulässigen Schulungsinhalten. Die Teilnahme an solch einem Seminar bedarf keiner besonderen Begründung der Erforderlichkeit. Der Betriebsrat fasst einfach einen Beschluss – und fertig!
So einfach wie jetzt zu seiner Schulung zu kommen, war es jedoch nicht immer. Wollten die Betriebsräte vor dem Jahr 2008 eine Schulung kurz vor Ende ihrer Wahlperiode besuchen, verlangte die Rechtsprechung von ihnen eine besondere Begründung der Erforderlichkeit. Konkret bedeutete das, dass die Betriebsräte in der Regel ab einem halben Jahr vor Ablauf ihrer Amtszeit keinen Qualifizierungsanspruch mehr hatten, es sei denn, sie konnten einen konkreten betrieblichen Anlass benennen.
Von dieser Rechtsprechung wich das Bundesarbeitsgericht in seiner Grundsatzentscheidung aus dem Jahre 2008 (BAG 7 AZR 90/07) explizit ab. In seiner richtungsweisenden Entscheidung wies das oberste deutsche Arbeitsgericht darauf hin, dass der Betriebsrat seine gesetzlichen Aufgaben gegen Ende der Amtsperiode nur dann erfüllen kann, wenn alle Betriebsratsmitglieder über ein Mindestmaß an Wissen über die Rechte und Pflichten einer Arbeitnehmervertretung verfügen. Der Betriebsrat muss seit dieser Entscheidung die Erforderlichkeit der Schulung, auch kurz vor Ende der seiner Amtszeit, nicht mehr gesondert darlegen.
Der Beurteilungsspielraum des Betriebsrats ist erst dann überschritten, wenn dieser sich rechtmissbräuchlich verhalten sollte. Das wäre beispielsweise dann der Fall, wenn offensichtlich wäre, dass das zu schulende Betriebsratsmitglied in seiner verbleibenden Amtszeit das Wissen nicht mehr benötigt.